Das Mittelalter und seine Epochen
Zahlen, Daten, Namen
Der Begriff "Mittelalter" bezeichnet heute die Zeit vom Ende der Völkerwandung der Antike (ca. 550 n. Chr.) bis zum Beginn der Renaissance (ca. 1500 n. Chr.).
Es war schon ein ordentlicher Knall, der das Ende der Antike und den Beginn des Mittelalters einleitete. Gemeint ist der Zerfall des antiken weströmischen Reiches, der nach der Absetzung des Kaisers Romulus Augustulus im Jahr 476 nicht mehr aufzuhalten war. Seit dem Einfall der Hunnen nach Europa, hundert Jahre zuvor, strömten entwurzelte germanische Stämme in das römische Reich, was dieses nicht länger verkraftete. Das entstehende Machtvakuum führte zu Rangeleien zwischen diversen regionalen Anführern, bei denen sich am Ende der Frankenfürst Chlodwig I. durchsetzte.
Unterschieden wird zwischen:
- Frühmittelalter (ca. 500 - 1025)
- Hochmittelalter (ca. 1025 - 1250) und
- Spätmittelalter (ca. 1250 - 1500)
Bezogen auf den heute deutschsprachigen Siedlungsraum geht es um das:
- "Fränkische Reich" bis zum Jahr 843, das
- "Ostfränkische Reich" - ab dem Jahr 843 (Vertrag von Verdun), das
- "Heilige Römische Reich" - ab etwa dem Jahr 1200, und das
- "Heilige Römische Reich deutscher Nationen" - ab etwa 1475.
Die wesentlichen Herrschergeschlechter waren:
- Im Frühmittelalter - die Merowinger, Karolinger und Ottonen
- im Hochmittelalter - die Salier und Staufer
- im Spätmittelalter - die Habsburger und Luxemburger
Nachfolgend möchte ich noch einige wesentliche Ereignisse benennen, die erkennen lassen warum die Unterteilung des "Mittelalters" in diese drei Epochen auch tatsächlich sinnvoll erscheint.
Das Frühmittelalter
Im Frühmittelalter gab es tiefgreifende Veränderungen, die teilweise bis heute unsere Lebensart prägen. Allem voran ist hier die Christianisierung zu nennen. Etwa um das Jahr 500 konvertierte der Frankenkönig Chlodwig I. vom heidnischen zum christlichen Glauben, wodurch erstmals auch östlich des Rheins das Christentum in seiner Verbreitung Fahrt aufnahm. Auch wenn heute kaum einer mehr wirklich an Gott glaubt oder sich gar die Arbeit gemacht hat die Bibel zu lesen, so basieren doch unsere heutigen Wertevorstellungen und weite Teile unseres Grundgesetzes auf dem christlichen Glauben und der Bibel.
In diesem Zusammenhang darf auch der "Karolingische Münzfuß", eine Art Währungsunion, nicht unerwähnt bleiben. Er erfolgte in den Jahren 793 und 794 durch Kaiser Karl den Großen und führte dazu, das erstmalig im ganzen fränkischen Reich mit Münzen bezahlt werden konnte, die genormt und somit zwingend überall mit gleichem Wert geprägt wurden (aber dazu mehr auf der Seite: "Geld im Mittelalter"). Hier sei dieser Punkt angeschnitten, da er das Gefühl der Zusammengehörigkeit bestärkte.
Allerdings entstanden im Frühmittelalter auch die ersten, ernstzunehmenden Grenzen seit dem Zerfall des antiken römischen Reiches - ebenfalls mit Nachwirkung bis zum heutigen Tag. Durch die Aufteilung des Frankenreiches unter den Enkeln Karls des Großen, mit dem Vertrag von Verdun im Jahr 843, entstanden ein westfränkisches Reich (das heutige Frankreich) und ein ostfränkisches Reich, das heute (unter anderem) Deutsches Hoheitsgebiet ist.
In den Jahren 800 bis 1000 waren die fränkische Reiche regelmäßig von Überfällen der Wikinger betroffen. Diese ließen jedoch nach, nachdem der westfränkische König "Karl der Einfältige" im Jahre 911 den Wikingeranführer Rollo mit Siedlungsland bestach. Die "Nordmänner" erhielten ein Gebiet, dass wir heute als die "Normandie" kennen und aus dem die "Normannen" hervorgingen, die sich 1066 unter "Wilhelm dem Eroberer", einem direkten Nachfolger Rollos, mal eben eine nordwestlich von uns gelegene, unbedeutende, kleine Insel Namens „England“ unter den Nagel rissen. Aber ich schweife ab; das eigentlich entscheidende ist, dass die Wikinger mit der Besiedlung der Normandie ebenfalls zum christlichen Glauben wechselten und so eine Verbundenheit unter den Völkern entstand, die weitere Auseinandersetzungen verhinderte und stattdessen das Zusammenwachsen förderte.
Letztlich ist eine Innovation in der Landwirtschaft gegen Ende des Frühmittelalters von entscheidender Bedeutung: die Umstellung von der Zwei- auf die Dreifelderwirtschaft, durch die die Erträge wesentlich gesteigert werden konnten.
Das Hochmittelalter
Während im Frühmittelalter die Grundlagen geschaffen wurden, konnten im Hochmittelalter lange Zeit die Früchte der Arbeit genossen werden. Weitere Fortentwicklungen in der Landwirtschaft (Pflüge und andere Werkzeuge) ermöglichten weniger Menschen die Bewirtschaftung größerer Flächen. Es kam zu einer ersten "Landflucht".
Mehr Menschen zogen in die Städte, die in dieser Epoche rasant wuchsen. Neue Berufe entstanden, vor allem im Handwerk, der Handel zwischen den Städten florierte aufgrund der einheitlichen Währung im gesamten Reich. So hatte die Stadt Köln im Jahr 1050 rund 21.000 Einwohner. Zum Ende des Hochmittelalters waren es bereits 40.000.
Auch in Sachen Bildung ging es voran. Es entstanden neben Klosterschulen, die ab der zweiten Hälfte des Hochmittelalters auch die Kinder einfacher Bürger und Bauern aufnahmen, die ersten Universitäten in denen vorwiegend Theologie, Medizin und Jura gelehrt wurden.
Darüber hinaus war es die Zeit der Ritter und Ritterorden, denn sechs der sieben "echten" Kreuzzüge fallen in diese Epoche. Auch deswegen muss der Ritterstand ab dem Hochmittelalter zum Stand des niederen Adel gezählt werden. Für einige Männer war ein Kreuzzug der Ausweg aus dem Dasein als einfacher Bauer, hin zu Ruhm und Reichtum. Einfach ist es jedoch nicht gewesen, denn wer als schlichter Fußsoldat die Reise antrat, konnte sich weder ein Pferd, noch adäquate Bewaffnung leisten. Eine ritterliche "Vollausstattung" hatte den Quellen zu Folge den Gegenwert eines imposanten Einfamilienhauses heutzutage.
Doch auch die Schattenseiten des Erfolgs begannen sich in dieser Epoche zu zeigen. Die Kirche, die sich seit inzwischen knapp 300 Jahren am Zehnt laben hatte können, brach im Jahr 1070 den Investiturstreit vom Zaun, der sich bis ins Jahr 1122 ziehen sollte. Im Grunde ging es darum, dass sie den alleinigen Machtanspruch der weltlichen Herrscher nicht länger anerkennen wollte und sich mit dieser Haltung an Ende auch durchsetzen konnte. Von den Zankereien zwischen Königen und Kirche profitierten letztendlich die Landesherren, die ihre lokale Macht ausbauen und ihre eigenen Süppchen kochen konnten, auch wenn diese den Interessen des Reiches entgegenstanden. Der Zusammenhalt zwischen den Machthabern im Reich begann zu bröckeln. Wer sich für das Mittelalter interessiert hat sicher schonmal vom "Gang nach Canossa" gehört. Er fällt in genau diese Zeit.
Letztlich muss in dieser Epoche dem Zerfall des ostfränkischen Reiches und der Begründung des heiligen römischen Reiches gedacht werden. Bis zum Jahr 1197 war immer wieder versucht worden die fränkischen Reiche wieder zu vereinen, jedoch gab es das gesamte Hochmittelalter hindurch keinen Herrscher der stark genug dafür gewesen wäre. Kaiser Friedrich I. (heute nennen wir ihn Barbarossa) war lange Zeit auf einem guten Weg dorthin. 1189 brach er zu einem Kreuzzug auf, vermutlich in dem Glauben, dass sich ihm nach einem Sieg im heiligen Land auch kein westfränkischer Herrscher mehr in den Weg stellen würde. Dazu kam es allerdings nicht. Im Juni 1190 starb er im Gebiet der heutigen Türkei, wohlgemerkt: nicht etwa bei einem blutigen Gemetzel; tatsächlich soll er bei der Überquerung des Flusses "Saleph" ganz einfach ersoffen sein.
Die Staufer hielten sich danach noch 60 Jahre, in denen die regionalen Herrscher immer weiter an Macht gewannen. Bereits etwa zehn Jahre nach Barbarossas Tod waren diejenigen Fürsten in der Überzahl, die nicht in einem "Fränkischen" Reich regieren wollten und es erfolgte die Umbenennung in das "Heilige Römische Reich".
Um 1250 war dann auch das Geschlecht der Staufer am Ende und mit ihm das Hochmittelalter. Das Ende der Dynastie markiert das Ende der Epoche.
Das Spätmittelalter
Eigentlich bezeichnet man das Frühmittelalter als "dunkle Zeit". Meiner Ansicht nach verdient das späte Mittelalter diesen Namen viel eher. Auch die Gelehrten dieser Tage sahen das Spätmittelalter lange Zeit als "Zerfallszeit" an. Heute ist diese Meinung im Wandel, da den Fortentwicklungen neuerdings eine größere Bedeutung zugewiesen wird. Nichtsdestotrotz gab es im Spätmittelalter eine Reihe von Problemen und auch völlig neue Gesamtbedingungen. Mit dem Ende der Staufer war die letzte der althergebrachten Monarchenfamilien ausgestorben und es folgte eine Zeit in der die Könige (die inzwischen traditionell auch "römisch deutsche Kaiser" wurden) von den mächtigsten Landesfürsten gewählt wurden.
Die Einheit im Reich war dahin, zeitweise gab es mehrere Könige gleichzeitig, die sich jeweils als Herrscher des Reiches feiern ließen obwohl, sie sich kaum ein Stück über die Grenzen ihrer Grafschaft oder ihres Fürstentums hinaus durchsetzen konnten. Die, die es doch "anerkannt" ganz nach oben schafften, erreichten ihre Position in der Regel nur, indem sie viele faule Kompromisse eingingen. Um ihre Macht zu erhalten mussten die Herrscher immer mehr Regalien (Königsrechte; z. B. Bergregal: Ein Verfügungsrecht an ungehobenen Bodenschätzen) an den niederen Adel und später sogar an Städte abgeben und sich damit die weitere Unterstützung erkaufen. Gegen Ende des Spätmittelalters galt die Hanse (eine Kaufmannsvereinigung, die sich um 1150 in Lübeck bildete) zumindest im norddeutschen Raum als mächtiger als der König. Dies wird unter anderem in der historischen Romanreihe über die Familie Fleury, von Daniel Wolf schön beschrieben.
Auch die Kirche verlor mit dem letzten Kreuzzug und dem Fall von Akkon (der letzten Bastion der Christen im Nahen Osten) im Jahre 1291 gewaltig an Einfluss. Es fehlte an klaren Regeln und Struktur im heiligen römischen Reich.
Ab 1341 wurde fast ganz Europa endgültig zum Opfer seines Fortschritts. Die entstandenen Ballungsräume verkrafteten die vielen Menschen und ihren Dreck nicht länger, der Schwarze Tod machte das Bevölkerungswachstum der letzten Jahrhunderte zunichte. Etwa ein Drittel der Bevölkerung starb.
Dem entgegen stehen natürlich viele fortschrittliche Erfindungen, die uns bis heute das Leben erleichtern. Angefangen bei der Brille, über den Kompass, bis hin zum Buchdruck passierte in dieser Epoche einiges. Auch gesellschaftlich gab es Veränderungen. Frauen durften nun eigenständig Berufe ausüben, waren teilweise sogar in Zünften organisiert und erreichten einen gewissen Grad an Unabhängigkeit. Immer mehr Menschen konnten lesen und schreiben und die Lebenserwartung stieg zumindest für Männer auf über 50 Jahre. Frauen wurden jetzt im Durchschnitt 35 bis 40 Jahre alt.
Für mich als Mittelalterfan können diese Errungenschaften aber den Wechsel des Lebensstils, das Ende von Rittertum und Minnesang kaum aufwiegen und das späte Mittelalter wird immer eine Zeit des bedauernswerten Zerfalls bleiben.